Betende Hände - Leseprobe

Über dieses Bild der betenden Hände stolperte ich vor etwa am 24. Mai 2020, Sonntagmorgen auf dem Weg zum Bäcker. Es lag da auf dem Baumstumpf. Der Baum war irgendwann davor abgesägt worden, weil ein Gerüst vor das Haus aufgestellt wurde. Da störte er. Mittlerweile ist selbst dieser Stumpf weg. Aber an jenem Morgen kam ich an dem Bild nicht vorbei. Wie mit Gummibändern immer wieder zurückgezogen. Also holte ich mein Handy aus der Tasche und fotografierte es. Danach konnte ich ungehindert weitergehen. Auf dem Rückweg war es weg. Merkwürdig, ich muss heute noch immer daran denken, was das zu bedeuten hatte.

Ich hatte das Bild an eine meiner Cousinen geschickt und gefragt, was sie meine, was es zu bedeuten habe, das ich nicht daran vorbei kommen konnte. Meine Cousine, die für den WEC(Weltweiter Einsatz für Christus ) arbeitet, hat mir zu dem Bild, was ich am Sonntag aufnahm, folgendes geschrieben.

Mir fielen dazu die ersten Zeilen dieses Gedichts ein:

Allein den Betern kann es noch gelingen

Allein den Betern kann es noch gelingen

Das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten

Und diese Welt den richtenden Gewalten

Durch ein geheiligt Leben abzuringen.

Denn Täter werden nie den Himmel zwingen:

Was sie vereinen, wird sich wieder spalten,

Was sie erneuern, über Nacht veralten,

Und was sie stiften, Not und Unheil bringen.

Jetzt ist die Zeit, da sich das Heil verbirgt,

Und Menschenhochmut auf dem Markte feiert,

Indes im Dom die Beter sich verhüllen,

Bis Gott aus unsern Opfern Segen wirkt

Und in den Tiefen, die kein Aug’ entschleiert,

Die trockenen Brunnen sich mit Leben füllen.

Reinhold Schneider schrieb dieses Gedicht mit 33 Jahren. Er hat damit gegen den Faschismus und seinen Größenwahn angeschrieben und wäre 1945 wohl auch ein Opfer des Nationalsozialismus geworden– Reinhold Schneider

sollte wegen Hochverrats der Prozess gemacht werden -, wenn nicht das Kriegsende ihn vor einem ähnlichen Schicksal wie Dietrich Bonhoeffer bewahrt hätte.

Hm ja, schön, das erklärte jedoch nicht für mich, was dieses Festhalten des Bildes für mich bedeutete. Auf meinem Desktop habe ich normalerweise immer einen Jahreszeitlich wechselnden Bildhintergrund. In diesem Jahr lud ich mir dieses Bild als Hintergrund und es ist bisher auch noch nicht ausgewechselt worden. Mein Gefühl sagt mir, dass wir alle etwas mehr beten sollen. Beten, um heil aus den Situationen herauszukommen, die Politik und Wirtschaft uns zumuten. Danken für jede Überwindung einer, wenn auch kleinen Krise. Jeder Schritt, den wir heil und gesund hinter uns bringen, sollte Dankbarkeit auslösen. Niemand bricht sich was dabei ab, es mal zu denken, zu flüstern, zu sagen. Danke ist ein schönes Wort. Man muss nicht herzlichen Dank oder ähnliches sagen. Danke allein reicht. Danke steht für sich.

© Christa Helling Juni 2023

 

-----------------------------------------------

 ARMES DEUTSCHLAND

Menschenrechte - Leseprobe